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Patmos Verlag
128 Seiten

Hubertus Halbfas – Glaubensverlust

Alles zurück auf Anfang. Hubertus Halbfas plädiert in seinem Buch dazu, dass sich das Christentum wieder auf seine Wurzeln zurück besinnen sollte. Was ist damit gemeint?

Folgt man dem Autor, dann verdanken wir besonders Paulus eine folgenschwere Verdrängung des historischen Jesus. Was Jesus interessierte, war eine neue Lebensordnung, die er als göttliche Lebensordnung verstand. Paulus dagegen ging über alles hinweg, was Jesus zu seinen Lebzeiten bewegte und lehrte, nämlich eine Reich-Gottes-Botschaft. Mit ihm begann dann eine bis heute das Christentum prägende, Jesus verfälschende Verkirchlichung.

Was stellt Paulus dem Evangelium Jesu an die Seite? Den Kreuzestod und die Auferstehung Jesu, die seine gesamte Theologie trägt. Demnach bedufte es eines Sühnetodes Jesu, um die Menschen mit Gott zu versöhnen. Während das Evangelium Jesu noch uneingeschränkte Freudenbotschaft hieß, so kommt nun ein drohender Unterton von Glaubensgehorsam auf. Paulus stellt in den Mittelpunkt eine theologische Lehre, die Jesus so nie im Sinne hatte, nämlich die Lehre, dass er für unsere Sünden gestorben sei.

Bei Jesus steht vielmehr der praktische Appell im Vordergrund, die Wahrheit der Liebe. Nur dort, wo die Liebe zum Nächsten gelebt wird, wird die freimachende, erlösende Wahrheit, von der das Evangelium spricht, erfahren. Diese Wahrheit muss nicht geglaubt, nicht bewiesen und nicht verteidigt werden. Verlangt wird einzig Sensibilität, Mitmenschlichkeit und Mitgefühl für alles Leben.

Im Einklang mit Nietzsche zeigt Halbfas, dass Jesus die Menschen nicht erlösen, sondern zeigen wollte, wie man zu leben hat. Jesus vertrat nicht einen Glauben, sondern forderte eine Lebensweise ein, die er als allein göttlich ansah. Die Summe seiner Lehre findet sich so ausgedrückt: „alles, was ihr wollt, dass es euch die Menschen tun, das sollt auch ihr Ihnen tun. Denn darin besteht das Gesetz und die Propheten“ (Mt 7,12). Die Göttlichkeit bewahrheitet sich an jedem guten und liebenden Menschen.

Gott steht hier für eine ganz bestimmte Art, die Welt zu verstehen. Christologie ist Anthropologie. Das bedeutet, Religion ist Auslegung des menschlichen Daseins, eine Interpretation der menschlichen Existenz im Angesicht der Wirklichkeit. Das Göttliche artikuliert letztlich den Sinn, in dem die Welt für den Menschen einen inneren Zusammenhang und Bedeutung erhält. Gott verstehen wir nur insofern, als wir uns selbst der von uns ergriffenen Welt verstehen. Es kommt für uns daher auch heute darauf an, das Göttliche, das Jesus erfüllte, zum Durchbruch zu bringen, also ans Licht der Welt.

Halbfas kritisiert das Festhalten der Kirche an der paulinischen Glaubensdoktrin. Die fundamentale Krise des Glaubens und des Kirchensystems ist daher selbst verschuldet, weil es ein System ist, das sich selbst absichert und nicht die Kraft hat, jene Doktrin über Bord zu werfen. Kirche ist reformunwillig und reformunfähig.

Ein lebendiges katholisches Christentum habe aber nur dann eine Zukunft – so Halbfas – , wenn es sich auf eine neue Grundlage stellt und sich von ihrem Gründer aus neu erfindet.

November 2024