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Bonifatius Verlag

464 Seiten

Für Andere, für Uns

Claudia Endrich erzählt das Leben gläubiger katholischer Menschen, die im Dienst der Kirche stehen und dabei ständig mit deren jahrhundertealten Regeln, wie dem Zölibat, Verbot der Abtreibung und der Priesterweihe nur für Männer, in Konflikt geraten. Damit ist der Kreis der Interessenten für dieses Buch schon einmal eingeschränkt, denn das Buch kreist fast ausschließlich um diese Themen: wie umgehen mit den rigiden Vorschriften der Kirche, die als nicht mehr zeitgemäß empfunden werden. Eine gewisse Spannung erhält das Buch durch die Vor- und Rückblenden, wodurch das Leben der kämpferischen Protagonistin Rita erst allmählich klarer hervortritt.
Rita studiert zunächst in Innsbruck Theologie und wird später Pastoralassistentin, obwohl sie lieber Priesterin wäre: hierzu fühlt sie eine innere Berufung. Im Studium lernt sie den Priesteranwärter Sebastian kennen, der ein Leben ohne Frauen, ein Leben für Gott, für andere Menschen gelobt hat. Beide verlieben sich ineinander und sie bekommt ungewollt von ihm ein Kind, das sie abtreiben lässt.
Beide müssen ihre Liebe geheim halten und Rita fordert Sebastian immer wieder auf, sich zwischen ihr und der Kirche zu entscheiden. Nach einigem Hin und Her entscheidet sich Sebastian letztlich doch gegen Rita und für die Kirche, ohne dies Rita offen und ehrlich sagen zu können. Man kann auch sagen: er flüchtet vor dieser Entscheidung: er tritt aus dem Jesuitenorden aus und übernimmt eine Gemeinde bei Paris, weit weg von Innsbruck. Rita erscheint in dem Buch fast immer als die Starke, die die Entschlusslosigkeit und Jammerei der anderen nicht ertragen kann und auf Entscheidungen drängt. Worin ihr spiritueller Glaubensimpuls liegt, wird mir allerdings nicht klar. Sicher, sie will für andere Menschen da sein; aber warum in der Kirche? Ja, sie will Priesterin sein, aber ihr wird nicht ganz zu Unrecht der Vorwurf gemacht, dabei mehr an sich zu denken, als an andere Menschen.
Als Pastoralassistentin kämpft Rita dafür, dass Frauen in der katholischen Kirche völlig gleichgestellt werden und für das Recht auf Priesterweihe. Sie hält bessere Predigten und behauptet vor der Gemeinde, eine Ausnahmeregelung vom Bischof erhalten zu haben. Michael, der Pfarrer der Gemeinde, deckt das Ganze, weil auch er die Regeln der Kirche nicht strikt einhält. Denn er hat ein Verhältnis zur Yogalehrerin Simone. Auch die beiden leiden sehr unter der Heimlichkeit der Beziehung. Rita bestärkt eine junge Frau, ein ungewolltes Kind abzutreiben. Schließlich ist da noch Fabian, der homosexuelle Religionslehrer, der seine Beziehung ebenfalls vor der Öffentlichkeit verdeckt halten muss. Das ganze Leben von Rita dreht sich also um die hohen Mauern des Kirchenrechtes, die dem Einzelnen ein freies und glückliches Leben versperren. Ich als Leser empfinde diesen einseitigen Blick auf das Leben Ritas, das doch viel reicher und bunter sein müsste, fast schon als politisches Manifest.
Das Buch von Endrich macht den Gedanken stark, dass Alles zusammen gehört. Rita und Sebastian, die Liebe zwischen zwei Menschen, ihr Glauben und ihre kirchlichen Aufgaben. Warum soll man dies trennen? Das ergibt doch keinen Sinn, so heißt es an einer Stelle. Die Gegenseite in der Figur des konservativen Grantlers „Zauner“ kommt dagegen nicht gut weg, denn hier zählt nur die Meinung: die kirchlichen Regeln waren schon immer so und so soll es bleiben. Hier also die Guten, dort die Schlechten? Ob diese Einseitigkeit dem Buch gut tut, bezweifel ich.

Martin Kasperzyk/Juni 2025